Führen in paradoxen Zeiten – stabil bleiben, mutig entscheiden

von Wolfgang Friedl

Führen in paradoxen Zeiten

Kennst du das Gefühl, wenn du morgens in dein Unternehmen kommst und schon beim ersten Kaffee klar ist: Heute wird’s wieder anstrengend? Und der Ärger ist so gut wie vorgeplant…
Die To-do-Liste ist voll, zwei Themen widersprechen sich komplett, und aus der Geschäftsleitung kommt eine neue Idee, die noch gar nicht abgestimmt ist. Willkommen in der Paradoxie moderner Führung.

Führung ist heute selten eindeutig
Niklas Luhmann hat einmal gesagt, dass jedes soziale System seine eigene Logik hat. Genau das erlebe ich in fast jedem Unternehmen: Das, was im Vertrieb sinnvoll ist, passt nicht zwingend für die Produktion. Entscheidungen, die langfristig nötig sind, wirken kurzfristig riskant. Und gleichzeitig sollst du Ruhe reinbringen, Orientierung geben und das Team motivieren.

Das ist kein Zeichen von Überforderung – sondern Leadership im 21. Jahrhundert.

Stabilität durch Haltung – nicht durch Kontrolle

Ein Beispiel aus einem Familienunternehmen, das ich begleite: Der Geschäftsführer erwartete mehr Eigenverantwortung von seinen Mitarbeitern, stellte aber fest, dass er selbst dabei war, immer alles nochmal nach zu justieren und eigentlich er selbst alles noch einmal „richtig“ machen musste.
Erst als wir über seine innere Stabilität gesprochen haben, wurde klar: Es ging nicht um Kontrolle, sondern um Vertrauen. Und auch hier nochmal Niklas Luhmann: Vertrauen ist eine riskante Vorleistung.
Sobald er gelernt hat loszulassen – nicht blind, sondern bewusst –, konnte das Team wachsen. Kontrolle wurde durch Klarheit ersetzt.
Diese Art von Stabilität entsteht innen, nicht außen.
Nicht durch feste Regeln, sondern durch Werte, die in Bewegung tragen.

Mutige Entscheidungen trotz Widerspruch
Ich ermutige Führungskräfte oft dazu, sich eine paradox klingende Frage zu stellen:
„Wie kann ich mich sicher fühlen, obwohl ich unsicher bin?“
In Coachings bessern wir keine Schwächen aus, sondern erweitern Handlungsspielräume. Paradoxe Führung bedeutet: Widersprüche und unvollständige Informationen akzeptieren und mit Unsicherheit entscheiden – und die Verantwortung dafür übernehmen.

Es ist besser zu entscheiden, wie nicht zu entscheiden.

Drei Impulse für dich

  • Wenn alles gleichzeitig drängt: Nimm dir zwei Minuten und definiere deine nächste gute Entscheidung, nicht die perfekte.
  • Sprich Widersprüche offen an – sie verschwinden nicht, wenn man sie ignoriert.
  • Und frag dich regelmäßig: Was hält mich stabil, was sind meine stabilen Zonen?

Gerade in paradoxen Zeiten ist Führung kein Sicherheitsprogramm, sondern ein Balancieren zwischen Vertrauen, Mut und Klarheit. Starke Entscheidungen werden immer in Unsicherheit getätigt.

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